Jüdische Stimmen stärken

Nahostkonflikt

Erklärung zum 1. Jahrestag des Terrorangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023.

Mein Herz ist wie zerschmolzenes Wachs. Mein Herz schmilzt vor Trauer und brennt vor Zorn. Und die Zunge klebt mir am Gaumen, wenn ich rede. Ps 22,15f 

Am 7. Oktober ermordete die islamistische Terrororganisation Hamas 1.200 Menschen, mit einer Brutalität und einem Sadismus, die man sich kaum vorstellen kann. Die Mörder filmten sich dabei, stellten ihre Taten stolz ins Internet, ließen keinerlei Zweifel daran, dass sie kein anderes Ziel hatten, als möglichst viele Zivilist:innen möglichst grausam zu ermorden und mit diesen Taten Jüdinnen und Juden zu traumatisieren und zu brechen.  

Heute geht es darum der Ermordeten des 7. Oktober 2023 zu gedenken. Als Christ:innen wollen wir klagen. Wir wollen bitten, dass für Israel der 8. Oktober komme, der, wie der Soziologe Natan Sznaider sagt, dann erscheint, wenn alle Geiseln befreit sind. Und der erst kommen soll und wird, wenn die Angriffe auf Israel aufhören.

In dem Gedenken fragen wir uns: Was nützt es, als Christ:innen Worte zu suchen, die es vielleicht gar nicht gibt? Annette Kurschus, die damalige Ratsvorsitzende, beschrieb in ihrer Rede am Brandenburger Tor im Oktober 2023, dass wir eigentlich verstummen müssen angesichts der vernichtenden Gewalt und der darauffolgenden weltweiten antisemitischen Welle.  
Wir wollen verstummen und gleichzeitig versuchen, Sprache zu finden. Die Sprache der biblischen Schriften, durch die Christ:innen die Welt lesen. Heute wollen wir jüdische Stimmen hören. Und heute wollen wir, ja müssen wir uns zu ihren Stimmen machen, gerade da wo Jüdinnen und Juden öffentlich nicht reden können oder wollen. Sprachfetzen vor Gott bringen und den Platz an der Seite von Jüdinnen und Juden hier und anderswo suchen, die von so viel fehlendem Mitgefühl getroffen sind und beten, um Einsicht der Völker der Welt. 

Wir wollen nicht vergessen, dass kaum etwas von dem, was nach dem 7. Oktober geschah im Handeln der Hamas einkalkuliert war. Wir wollen weiter versuchen, zu differenzieren und nach glaubwürdigen Worten zu suchen, die das Handeln und die Ziele aller in der Region mitbedenkt.  Wir wollen die existenzielle Bedrohung Israels und die grausame Wirkung des 7. Oktobers auf Israel nicht vergessen. Das kann und darf eine Kritik an der rechten Regierung Israels einschließen.

Wir beklagen auch die vielen Toten und Verletzten nach dem Hamas Terror in Gaza und im Libanon und die andauernde Gewalt und Angst, der die Menschen ausgesetzt sind und wir klagen den antimuslimischen Rassismus hier bei uns und anderswo an.
Heute gehen wir an den Anfang dieses Geschehens zurück, an die Botschaft der Hamas, die das Judentum in Israel aber auch in der Welt angreifen, demütigen und zuletzt vernichten will.
Israelis und Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt verloren am 7. Oktober ihre Grundversicherung. Die Überzeugung, dass eine mehr als tausendjährige Geschichte von Pogromen durch die Gründung dieses Staates vor 75 Jahren endlich ein Ende gefunden hatte. 

Als Christ:innen kann und darf uns diese existentielle Bedrohung Israels und die zahllosen Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht gleichgültig sein. Nie wieder bleibt immer auch jetzt.


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft jüdisch und christlich beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, Generalsekretärin Dr. Kristin Jahn  
und Dr. Stefanie Rentsch, Programmleiterin Deutscher Evangelischer Kirchentag

Berlin/Fulda den 7. Oktober 2024

Teilen