Eine Brücke zwischen Religionen

Gottesdienst

Während des Kirchentages wird in Nürnberg am Standort der 1938 zerstörten Synagoge erstmals wieder ein Jüdischer Gottesdienst stattfinden.

Mehr als 60 Jahre lang prägte die Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz das Bild der Nürnberger Altstadt, bevor sie 1938 auf Anweisung der Nationalsozialisten abgerissen wurde. Im Rahmen des Kirchentages wird die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg am Ort der zerstörten Synagoge am Samstag, den 10. Juni, nun erstmals wieder einen Jüdischen Gottesdienst abhalten. “Mit diesem Gottesdienst am alten Synagogenplatz schaffen wir es, gleichzeitig die Vergangenheit in Erinnerung zu bringen und eine bessere, verständnisvollere gemeinsame Zukunft zu gestalten", erklärt dazu Steven Langnas, Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde. “Weil dieser Gottesdienst großzügiger Weise im Rahmen des Kirchentags stattfindet, stärkt er die Brücke zwischen den Religionen." 

“Die Einladung, die Besucherinnen und Besucher des Kirchentages an diesem besonderen Gottesdienst teilhaben zu lassen, ehrt uns sehr", sagt dazu Kristin Jahn, Generalsekretärin des Kirchentages. “Ich bin sehr dankbar für dieses Vertrauen. Nürnberg steht mit seiner Geschichte für unendliche Schuld - hier wurden die Gesetze verabschiedet, die Millionen von jüdischen Mitbürgern das Leben und ihnen ihre Würde genommen hat. Aber hier wurde auch das Unrecht beim Namen genannt und die Menschenrechte niedergeschrieben. Dass wir nun eingeladen sind, gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde zu feiern, ist ein Geschenk - an die Stadt und den Kirchentag.“ 

Im Zentrum Juden und Christen werden während des Kirchentages in Nürnberg 40 Veranstaltungen stattfinden – darunter verschiedene Formate zu gemeinsamen Bibelauslegungen, Kulturangeboten und Diskussionsrunden, unter anderem zu interreligiösem Dialog an Schulen, Antisemitismus in Deutschland oder der Situation von Minderheiten in Israel. Viele Programmangebote finden in Kooperation mit der Israelitischen Kultusgemeinde statt – zum Beispiel Führungen durch die gegenwärtige Synagoge der Gemeinde oder das Dialogformat "Tacheles". Nach dem Gottesdienst am Ort der zerstörten Synagoge wird dort am selben Abend noch Havdala begangen, das jüdische Abendgebet zum Abschluss des Schabbats. Zu allen Veranstaltungen sind Kirchentagsbesucher:innen herzlich eingeladen. 

Für den Besuch des Gottesdienstes ist zu beachten: Es sind ausschließlich Stehplätze verfügbar. Männer sollten bitte ihren Kopf bedecken. Aus religiösen Gründen gibt es keine akustische Verstärkung über Lautsprecher, daher ist begrenzte Hörbarkeit zu erwarten. Es wird darum gebeten, auf Fotografieren während des Gottesdienstes zu verzichten. Der Gottesdienst wird auf hebräisch gehalten. Alle Texte sind mit deutscher Übersetzung online verfügbar. Der Kirchentag dankt dem Verleger für die Erlaubnis, das Dokument ungekürzt zu veröffentlichen. 

Seit seiner Gründung 1949 ist der jüdisch-christliche Dialog ein Schwerpunktthema des Kirchentages. Die paritätisch aus Mitgliedern beider religiösen Gruppen zusammensetzte ständige Arbeitsgruppe "Juden und Christen beim Kirchentag" hat sich zu einem bedeutenden Think Tank für jüdisch-christliche Gespräche in Deutschland entwickelt – auch über die Kirchentage hinaus.  

Jüdisches Leben in Nürnberg lässt sich mindestens bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen. 1862 wurde die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg gegründet, 1874 wurde die Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz wurde 1874 eröffnet. Im Juni 1943 wurde die Kultusgemeinde von den Nationalsozialisten aufgeIöst und gründete sich Dezember 1945 neu – heute umfasst die Gemeinde rund 2.500 Personen und ist damit die zweitgrößte Gemeinde Bayerns. 

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