Schutz und Fürsorge

Schutz

Seit Juli arbeitet Lea Dreymann als Präventionsmanagerin beim Kirchentag.

Vorab ein Hinweis: In diesem Text werden die Themen sexualisierte Gewalt und Diskriminierung thematisiert. Falls Sie das Thema belastet, empfehlen wir Ihnen, den Artikel nicht oder nicht alleine zu lesen. 

Lea Dreymann ist Sozialpädagogin, systemische Beraterin und Sexualpädagogin in Ausbildung – und arbeitet seit Juli 2024 als Präventionsmanagerin beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. In dieser Funktion ist sie unter anderem für die Implementierung und Weiterentwicklung des Schutz- und Fürsorgekonzeptes und die Netzwerkarbeit mit anderen Präventionsakteuren zuständig. Im Interview berichtet sie über ihre Arbeit:  

Warum beschäftigt sich der Kirchentag mit dem Thema Schutz und Fürsorge? 

Die kurze Antwort: Weil es wichtig ist! 

Die etwas ausführlichere: Sexualisierte Gewalt und Diskriminierung passieren tagtäglich. In Freundes- und Familienkreis, auf dem Weg zur Arbeit oder in der Kirchengemeinde – und auch auf dem Kirchentag.  

Der Kirchentag ist ziemlich einmalig: Viele tausend Menschen kommen alle zwei Jahre in einer neuen Stadt zusammen und suchen Austausch, Begegnung und Gemeinschaft. Damit wir darauf gut vorbereitet sind, Risiken minimieren und betroffene Personen bestmöglich unterstützen, gibt es unser Schutz- und Fürsorgekonzept.  

Das Konzept ist ein Handlungsleitfaden im Sinne der betroffenen Personen. Die Erfahrung zeigt: Die meisten Menschen sind zunächst überfordert, wenn sich Ihnen jemand anvertraut und von einem Übergriff berichtet. Deswegen ist es wichtig, klare Handlungs- und Kommunikationswege festzulegen – und dafür zu sorgen, dass diese auch bekannt sind.  

Außerdem sorgt das Schutz- und Fürsorgekonzept auch dafür, dass der Kirchentag zu einer täterfeindlicheren Umgebung wird. Je mehr wir über das Thema informieren, desto schwieriger machen wir es Personen, die möglicherweise sexualisierte Diskriminierung und Gewalt ausüben wollen. 

Worin liegen die besonderen Herausforderungen der Präventionsarbeit beim Kirchentag? 

Der Kirchentag lebt durch seine Vielfalt. Das ist seine große Stärke. Für die Präventionsarbeit ist es aber gleichzeitig eine riesige Herausforderung. Es gibt beim Kirchentag ehrenamtlich Helfende, hauptamtliche Mitarbeitende, Mitwirkende, Teilnehmende und viele weitere Menschen, ohne die diese Veranstaltung nicht stattfinden könnte. Für alle diese Personengruppen gilt das Schutz- und Fürsorgekonzept, aber das Vorwissen über die Themen sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und Präventionsarbeit variiert sehr stark.  

Ein gutes Beispiel ist die Helfendenszene: Es gibt Helfende, die schon seit vielen Jahren in größeren Gruppen gemeinsam zum Kirchentag reisen, zum Beispiel Pfadfinder:innen. Sie sind oft schon im Thema geschult. Viele dieser Gruppen haben auch eigene Schutzkonzepte für ihre Arbeit und die Ehrenamtlichen sind es schon gewöhnt, regelmäßig Führungszeugnisse vorlegen zu müssen, wie wir sie auch beim Kirchentag in Hannover verlangen. Einer Einzelhelfenden hingegen, die zum ersten Mal beim Kirchentag dabei ist, ist das Thema sexualisierte Gewalt vielleicht noch eher fremd. Dasselbe Prinzip gilt für unsere Teilnehmenden, für Menschen, die das Programm mit erarbeiten und auch für unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden. Das Vorwissen – und ehrlicherweise auch das Interesse – der Menschen variiert auch knapp ein Jahr nach Veröffentlichung der ForuM-Studie noch sehr stark.  

Für meine Arbeit beim Kirchentag bedeutet das: Ich habe viele Personen mit ganz unterschiedlichen Wissensständen, die ich informieren und sensibilisieren möchte. Wie erfahren all diese Menschen überhaupt von dem Konzept? Und wer muss eigentlich wie intensiv geschult werden? Das sind alles Fragen, die ich mir in meiner Arbeit stelle.  

Wie sehen die Planungen für das Schutzkonzept für den Kirchentag in Hannover aus? 

Ich würde die Arbeit in zwei große Aufgaben unterteilen – die aber natürlich miteinander zusammenhängen:  

Das erste Thema ist der Schulungs- und Aufklärungsbedarf, den ich eben schon angesprochen habe. Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden des Kirchentages erhalten mindestens eine Basisschulung zum Thema Schutz und Fürsorge. Personen, die besondere Verantwortung tragen, weil sie beispielsweise besonders risikobehaftete Bereiche wie ein Gemeinschaftsquartier betreuen, werden noch einmal extra geschult. Das Ziel ist, dass am Ende jeder und jede Einzelne weiß, wie unser Vorgehen ist, wenn ihm oder ihr ein Vorfall gemeldet wird. 

Die zweite große Aufgabe ist die Infrastruktur, die wir vor Ort in Hannover schaffen. Das beginnt mit der zentralen Hotline, die während der Kirchentagswoche rund um die Uhr von geschulten Personen besetzt ist. Hier können sich  Menschen melden, die irgendeine Form von Übergriff oder unangenehmer Situation erlebt oder mitbekommen haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Hotline eine gute, niedrigschwellige Möglichkeit ist, um schnell mit uns in Kontakt zu kommen und Hilfe zu bekommen. Jede Meldung eines Vorfalls führt zur Bildung eines Interventionsteams. 

Weiterhin wird es im Zentrum Kinder und Familie und im Zentrum Junge Menschen Schutzräume geben. Dort sind während des Veranstaltungszeitraums Ansprechpersonen vor Ort, die gegebenenfalls unterstützen. Dasselbe gilt für die großen Veranstaltungen der Podienreihe „Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt“. Auch hier werden Ansprechpersonen vor Ort sein. 

Ein besonderes Thema, das gerade Menschen beschäftigt, die Gruppenreisen zum Kirchentag anbieten, sind die Gemeinschaftsunterkünfte. Quartiersschulen sind die einfachste und kostengünstigste Unterkunftsmöglichkeit beim Kirchentag. Gleichzeitig wissen wir alle: Schulen sind keine Hotels oder Jugendherbergen. Sie sind nicht darauf ausgelegt, dass dort viele Menschen mehrere Tage übernachten. Auch der Aufbau und die Ausstattung der Schulen unterscheiden sich stark voneinander. Dem begegnen wir zum Beispiel durch Vorgaben zur Belegung von Klassenräumen oder Nutzung der Sanitäranlagen und durch gezielte Schulungen der Quartierteams. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass sich die anreisenden Gruppen und Teilnehmenden sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigen – und Verständnis dafür haben, dass die Wahrung von Grenzen anderer Personen eben vielleicht einmal etwas weniger Flexibilität oder Komfort vor Ort bedeutet.    

Wohin können sich Menschen wenden, die weitere Fragen oder Anmerkungen zum Thema Schutz und Fürsorge beim Kirchentag haben? 

Meine Kolleginnen und ich bekommen regelmäßig Anfragen von Menschen, die sich über das Thema Schutz und Fürsorge beim Kirchentag informieren wollen, zum Beispiel weil sie eigene Gruppenreisen anbieten. Wir freuen uns immer sehr über diesen Austausch! Der einfachste Weg dazu ist per Mail an schutz(at)kirchentag.de.  

Zusätzlich biete ich auch eine offene telefonische Sprechstunde an – jeden ersten Montag im Monat zwischen 16.30 und 18.30 Uhr. Aktuell ist dazu keine Voranmeldung nötig. Sollte ich im Gespräch sein erfolgt ein zeitnaher Rückruf. 

 

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